SCHWERBEHINDERTE

Menschen sind im Sinne des neunten Sozialgesetzbuches (kurz: SGB IX) schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Schwerbehinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz gemäß §§ 85 ff SGB IX, und zwar in der Form, dass ihnen ordentlich oder außerordentlich lediglich gekündigt werden darf, wenn das Integrationsdamt vorher zugestimmt hat. Eine ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Schwerbehinderte Menschen haben damit im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen einen zusätzlichen Schutz vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Entsprechendes gilt für Arbeitnehmer, die die Agentur für Arbeit den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt hat und für Menschen, die einen Grad der Behinderung von 30 oder 40 haben und bei der Agentur für Arbeit vor mehr als drei Wochen vor Eingang des Kündigungsantrags einen Antrag auf Gleichstellung gestellt haben, über den noch nicht entschieden worden ist (§ 90 Absatz 2a SGB IX). Wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wurde, führt dies auch dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn die Schwerbehinderung erst nach Zugang der Kündigung anerkannt wird. Diese Unwirksamkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung nichts wusste, sofern der Gekündigte den Arbeitgeber unverzüglich über seinen Behindertenstatus informiert. Nach der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ist diese Informationspflicht innerhalb einer Frist von drei Wochen zu erfüllen (Urteil vom 06.07.2010 - 1 Sa 403/09; nicht rechtskräftig), ansonsten kann sich der Arbeitnehmer nicht auf den Sonderkündigungsschutz berufen. Der Fall: Im Unternehmen des Arbeitgebers kam es nach Vereinbarungen eines Punkteschemas zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit einer Namensliste für Kündigungen. Auf der Liste stand auch der Name der Klägerin, der bereits früher ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt worden war, was im Betrieb jedoch nicht bekannt und auch nicht offensichtlich war. Noch während der laufenden Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hatte die Klägerin einen neuen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte gestellt, wovon der Arbeitgeber ebenfalls nichts wusste. Kenntnis von der Behinderung erhielt der Arbeitgeber erstmalig mit der Kündigungsschutzklage, die zwar noch rechtzeitig bei Gericht einging, aber dem Arbeitgeber erst vier Wochen nach Zugang der Kündigung zugestellt wurde. Kurze Zeit später wurde der Klägerin von der hierfür zuständigen Behörde ein Grad der Behinderung von 50 zugesprochen. Sie hat sich infolgedessen im Kündigungsschutzverfahren auf den besonderen Kündigungsschutz sowie auf daraus resultierenden Fehler bei der Sozialauswahl berufen. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage für unbegründet erachtet, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber zu spät Mitteilung von der beantragten Schwerbehinderteneigenschaft gemacht habe. Der Arbeitgeber habe erst nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erfahren, dass ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung existiere. Da dies zu spät sei, könne sich die Klägerin nun nicht mehr auf den Sonderkündigungsschutz für Schwerbehinderte und damit zusammenhängende Fehler bei der Sozialauswahl berufen.

Der besondere Kündigungsschutz gilt sowohl für ordentliche und als auch für außerordentliche Kündigungen. Auch bei Änderungskündigungen bedarf es der Zustimmung des zuständigen Integrationsamts. Erst wenn eine Zustimmung durch das Integrationsamt erfolgt ist, kann eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtswirksam ausgesprochen werden. Die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung ist nicht möglich. Die Kündigung muss im Falle einer Zustimmung des Integrationsamtes nach Zustellung des Bescheides gemäß § 88 Absatz 3 SGB IX innerhalb eines Monats durch den Arbeitgeber erklärt werden. Die Kündigungsfrist beträgt nach § 86 SGB IX mindestens vier Wochen. Ob das Integrationsamt die Zustimmung erteilt oder versagt, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Dabei wägt es ab zwischen den Interessen des schwerbehinderten Menschen an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und den Interessen des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten. Das SGB IX Teil 2 will mit seinen Regelungen die Nachteile schwerbehinderter Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen. Nach § 87 Absatz 3 SGB IX wirkt das Integrationsamt in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin. Werden seitens des schwerbehinderten Menschen Einwände gegen die Zustimmung des Integrationsamtes erhoben, wird, falls erforderlich, eine mündliche Verhandlung mit allen Beteiligten (in der Regel beim Arbeitgeber) durchgeführt. Neben der Anhörung des schwerbehinderten Menschen selbst hat das Integrationsamt die Stellungnahme, des Betriebsrats und - soweit vorhanden - der Schwerbehindertenvertretung einzuholen. Die Einholung von Sachverständigengutachten (z.B. arbeitsmedizinischer Stellungnahmen) ist zulässig, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit es dem Arbeitgeber möglich ist, dem Schwerbehinderten einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.