BETRIEBSBEDINGTE KÜNDIGUNG

Von einer betriebsbedingten Kündigung spricht man, wenn die Kündigung vom Arbeitgeber aus "dringenden betrieblichen Erfordernissen" ausgesprochen werden muss.

Wann ein solches dringendes betriebliches Erfordernis im Einzelfall vorliegt, ist eine der am schwierigsten zu beantwortenden Fragen des Arbeitsrechtes. Die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist infolgedessen für den Arbeitgeber äußerst schwer zu begründen und durchzusetzen. Die Hürden, die der Arbeitgeber nehmen muss, um seine Kündigung im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung durchzusetzen, sind sehr zahlreich. Eine betriebsbedingte Kündigung, die überhaupt keine Angriffspunkte bietet, bildet eher die Ausnahme. Eine betriebsbedingte Kündigung sollte niemand als unabänderlichen Schicksalsschlag hinnehmen. Es lohnt sich fast immer, um den gekündigten Arbeitsplatz zu kämpfen. Wer diesem Kampf aus dem Wege geht, verliert ganz sicher seine Anstellung und in der Regel auch jeden Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) müssen vier Voraussetzungen vorliegen, damit eine betriebsbedingte Kündigung wirksam ist. Fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, ist die betriebsbedingte Kündigung unwirksam:

1. Es müssen zunächst einmal betriebliche Erfordernisse vorliegen, die dazu führen, daß der Bedarf an Arbeitsleistungen geringer wird. Solche betrieblichen Erfordernisse sind zum Beispiel die Schließung einer Abteilung oder einer Filiale oder die Veränderung von Arbeitsabläufen, die bestimmte Arbeitsplätze wegfallen läßt. Der Arbeitgeber muss insoweit nachweisen, dass sich das betriebliche Erfordernis für einen Personalabbau konkret (auch) auf die Stelle des gekündigten Arbeitnehmers ausgewirkt hat, und zwar in Form eines Wegfalls des Arbeitsplatzes. Dabei ist unter anderem zu prüfen, ob es der Arbeitgeber vor dem Ausspruch der Kündigung unter Umständen versäumt hat, andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Personalabbau zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung des BAG darf ein Arbeitgeber nämlich erst dann betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, wenn er zuvor erfolglos versucht hat, durch andere zumutbare technische, organisatorische oder wirtschaftliche Maßnahmen die drohenden Kündigungen zu verhindern. Als Maßnahmen in diesem Sinne sind zum Beispiel zu nennen: Begründung von Teilzeitarbeitsverhältnissen, Abbau von Überstunden, Vorverlegung der Werksferien oder sog. Rationalisierungskündigungen. Hat es der Arbeitgeber im Streitfall an derartigen Maßnahmen vermissen lassen, so führt bereits dieser Umstand unweigerlich zur Unwirksamkeit der Kündigung und damit zum Obsiegen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren.

2. Die Kündigung muss ferner "dringlich" sein, d.h. es darf keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz geben. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist nicht nur betriebsbezogen zu untersuchen, sondern bezogen auf das gesamte Unternehmen (BAG, Urteil vom 23.03.2006 – 2 AZR 165/05). Der Arbeitgeber hat dabei solche Arbeitsplätze in die Beurteilung einzubeziehen, bei denen im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach dem Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar ist jedenfalls ein Zeitraum, den auch ein anderer Stellenbewerber zur Einarbeitung benötigen würde.

3. Der Arbeitgeber muss bei der Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt haben, d.h. er darf keinen Fehler bei der Sozialauswahl machen. Nach § 1 Absatz 3 KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung nämlich auch dann sozialwidrig und damit unwirksam, wenn zwar dringende betriebliche Gründe für eine Kündigung vorliegen, der Arbeitgeber aber bei der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die Sozialauswahl soll sicherstellen, dass sozial schwächere Arbeitnehmer nur dann entlassen werden, wenn nicht an ihrer Stelle die Entlassung sozial stärkerer Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist. In die Auswahl einzubeziehen sind alle vergleichbaren Arbeitnehmer, die dem Betrieb länger als sechs Monate angehören und deren Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden kann. Hinsichtlich der Frage, welche Arbeitnehmer miteinander verglichen werden können, sind drei Ebenen zu unterscheiden. Innerhalb der sog. horizontalen Ebene werden die verschiedenen Berufsgruppen (Angestellte / Arbeitnehmer), die jeweiligen Ausbildungsberufe (Metallbauer / Industriemechaniker) sowie – bei Nichtausbildungsberufen – die ausgeübten Tätigkeiten miteinander verglichen. Innerhalb der sog. vertikalen Ebene werden solche Arbeitsplätze in die Auswahlentscheidung einbezogen, auf denen Arbeitnehmer derselben Hierarchie beschäftigt sind (Vorarbeiterin / Vorarbeiter; Gesellin / Geselle). Innerhalb der räumlichen Ebene sind nicht nur die Arbeitsplätze in der betroffenen Abteilung einzubeziehen, sondern sämtliche Arbeitsplätze innerhalb des Betriebes. Hat man auf diese Weise den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer festgelegt, so erfolgt die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer nach sozialen Kriterien. Seit dem 01.01.2004 sind dabei ausschließlich folgende Kriterien zu berücksichtigen:

- Dauer der Betriebszugehörigkeit,
- Lebensalter,
- Unterhaltspflichten,
- Schwerbehinderungen.

Der Arbeitnehmer hat gemäß § 1 Absatz 3 Satz 1 letzter Halbsatz KSchG einen Anspruch darauf, vom Arbeitgeber die Gründe zu erfahren, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben, damit er seinerseits beurteilen kann, ob die Sozialauswahl richtig durchgeführt worden ist. Spätestens im Kündigungsschutzprozess trifft den Arbeitgeber eine entsprechende Darlegungs- und Beweispflicht. Stellt sich dabei heraus, dass die Sozialauswahl mangelhaft erfolgte, hatte dies nach der älteren Rechtsprechung zur Folge, dass alle ausgesprochenen Kündigungen unwirksam sind. Diese Ansicht vertritt das BAG inzwischen nicht mehr. Nach der Entscheidung des 2. Senats vom 09.11.2006 – 2 AZR 817/05 kann der Arbeitgeber auf die Rüge nicht ordnungsgemäßer Sozialauswahl nunmehr mit Erfolg einwenden, dass sich der gerügte Auswahlfehler nicht auf die übrigen Kündigungsentscheidungen ausgewirkt habe. Aufgrund dieses Rechtsprechungswandels können sich jetzt nur noch solche Arbeitnehmer auf eine fehlerhafte Sozialauswahl berufen, die von der Fehlerhaftigkeit selbst betroffen sind. Dies kann im Einzelfall für den Arbeitgeber eine wesentliche Erleichterung darstellen. Aus Sicht des Arbeitgebers kann die Sozialauswahl auch dadurch erleichtert werden, dass in Betrieben, in denen ein Betriebsrat existiert, nach § 95 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sog. Auswahlrichtlinien vereinbart werden. In diesem Fall kann im Kündigungsschutzprozess die Sozialauswahl gemäß § 1 Absatz 4 KSchG nur noch auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden. Grob Fehlerhaft ist die soziale Auswahl erst dann, wenn die gesetzlichen Auswahlkriterien überhaupt nicht zu Grunde gelegt oder die einzelnen Gesichtspunkte in einem auffälligen Missverhältnis zueinander gewichtet wurden. Auf Nachfrage wird jeder Arbeitsrichter bestätigen, dass Arbeitgebern bei der Sozialauswahl vielfach schwerwiegende Fehler unterlaufen, welche die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung zur Konsequenz haben. Zur Abwendung dieser Rechtsfolge berufen sich Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren gerne darauf, dass einzelne Arbeitnehmer nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen seien. Gemäß § 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG betrifft dies Arbeitnehmer, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer überdurchschnittlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Diese Vorschrift des KSchG wird in der Praxis auch als „Leistungsträgerklausel“ bezeichnet.

4. Bei Abwägung des Arbeitgeberinteresses an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Interesses des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses muss das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegen (Interessenabwägung). Der Interessenabwägung kommt im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung allerdings nur eine untergeordnete Rolle zu, da vermieden werden soll, dass schlussendlich die Unternehmerentscheidung doch auf diesem Wege einer Überprüfung unterzogen wird. Das Gericht muss in der Regel lediglich abzuwägen, ob dem Arbeitgeber eine (vorübergehende) Weiterbeschäftigung zuzumuten ist, wenn der Arbeitnehmer aufgrund schwerwiegender persönlicher Umstände besonders schutzbedürftig ist. Nur in Ausnahmefällen fällte diese Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers aus.